Beiträge aus dem
Schuljahr 2002 / 2003
Römerlager
Wie haben unsere Vorfahren vor 2000 Jahren gelebt? Was kam mittags auf den Tisch? Welchen Schmuck trugen die feinen Damen? Fragen, die normalerweise Museen oder Bücher beantworten. Nicht so am Gymnasium Beilngries. Dort konnten Schüler einer sechsten Klasse römisches Leben spielend kennen lernen – genau da, wo schon vor 2000 Jahren Römer lebten: in Pons (Pfünz) im Altmühltal.
Mit Tunika und Sandalen bekleidet spielten einige Schüler Theater. Andere setzten ein Mosaik zusammen oder standen in der Küche: Datteln in Speckmantel mit Honigsauce! Wer nun meinte, er sei in einem Erlebnispark oder in einem Asterix-Film, der irrte: Hier bereiteten sich die Schüler der Klasse 6c auf das Fach Latein vor, das die meisten als zweite Fremdsprache ab der 7.Jahrgangsstufe gewählt haben.
Bereits seit neun Jahren organisieren die Lateinlehrer Barbara Werthner und Wilhelm Ott das Römerlager am Kastell Vetoniana. Zum ersten Mal waren heuer auch Schüler vom Beilngrieser Gymnasium mit von der Partie. Wo einst die Römer lebten und arbeiteten, lernten sie gemeinsam mit ihren Altersgenossen vom Reuchlin Gymnasium in Ingolstadt die römische Sprache und Kultur kennen. Ohne Lehrbuch, aber dafür mit einer Begeisterung, die man im Klassenzimmer wohl nicht immer findet.
Wo sonst, wenn nicht beim ludus archaeologicus (archäologisches Geländespiel), hat man die Gelegenheit, ein Römerkastell zu vermessen, lateinische Begriffe wie turma, porta praetoria und vicus direkt am Objekt zu lernen, pilum (Wurfspeer) zu werfen oder einen Palisadenzaun zu bauen?
Und da können sich die Beilngrieser wirklich sehen lassen: Unter elf contubernia (Zeltgemeinschaften), davon neun aus Ingolstadt, zwei aus Beilngries, kam das Beilngrieser Mädchen-contubernium gleich souverän auf Platz zwei!
Im Pfünzer Hüttenlager erfuhren die Schüler, wie die Menschen damals gelebt haben. Es wurde gebastelt, geprobt und gekocht. Schließlich sollte alles fertig sein, wenn die ca. 300 Eltern, Geschwister und Freunde zur großen Präsentation kamen. Dann stellten die 6.-Klässler gemeinsam mit ihren Tutoren aus der Oberstufe des Reuchlin-Gymnasiums den Eltern ihre Werke vor, die sie in den Arbeitsgruppen geschaffen hatten: Gefäße, Schmuck, Mosaike, ein Theaterstück, ein römischer Altar, ein hölzerner Triumphbogen, Schilde, Feldzeichen, Gladiatorenkämpfe, Wagenrennen und eine Modenschau.
Jeder Teilnehmer konnte ganz nach Interessenslage seine Arbeitsgruppe schon im Vorfeld auswählen. Hand in Hand arbeiteten in diesem Jahr die Schüler von diesseits und jenseits des Limes, aus Ingolstadt und Beilngries, an ihren Projekten. „Erstaunlich, was unsere Kinder in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt haben.“, kommentierte ein Vater später die Vorführungen. Anderthalb Stunden lang folgte dabei ein Highlight auf das andere, bis schließlich ein römisch-germanisches Büffet am Lagerfeuer den Abend für Schüler, Eltern und Lehrer zu einem Erlebnis der besonderen Art werden ließ.
Dass die schützenden Hände der antiken Götter über dem Unternehmen liegen, konnte man in diesem Jahr genau spüren. Herrschte am Mittwoch noch die trockene Hitze, die die römischen Legionäre aus Libyen und Ägypten kannten, bestätigte sich am Donnerstag das Vorurteil des römischen Schriftstellers Tacitus, der schrieb: „In Germanien regnet es noch häufiger als in Gallien.“ Aber pünktlich zum Elternabend am Donnerstag Abend rissen die Wolken auf und die Sonne zeigte sich von ihrer besten Seite. Könnte es daran gelegen haben, dass die Religionslehrerin Frau Hayn mit ihrer Arbeitsgruppe „Römische Götter“ ein Lararium (Hausaltar) gebaut und den selbst gefertigten Statuetten einige Körnchen Weihrauch geopfert hat?
Als Tacitus vor gut 2000 Jahren aus Germanien berichtete, waren ihm die Menschen nördlich der Alpen fremd. Wilde Geschichten schrieb er über das Land und seine Einwohner. Vorurteile, die seine Landsleute bestätigt haben wollten. Auch heute kursieren Vorurteile. Zum Beispiel, dass Latein- und Geschichtsunterricht langweilig ist. Das aber stimmt nicht – zumindest nicht am Gymnasium Beilngries.
Barbara Werthner